Nachhaltigkeitsstrategien oder Importstrategien aus Niedriglohnländern

Die letzten Jahre liegt bei mir ein Fokus auf dem Verständnis zu den beiden Hauptstrategien in der textilen Fertigung, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Einerseits haben wir einen Trend zu einer Nachhaltigkeitsstrategie der auch auf die Bewusstseinsbildung der Nachhaltigkeit beim Konsumenten abzielt und gezielt Transparenz in die Wertschöpfungskette mit Einblick der Endkunden in die Produktions- und Lieferketten bringen möchte. Die Gegentrend - Strategie ist die Produktion in Niedriglohnländern wie Äthiopien bei der klassische Marketing - Strategien mit Fokus auf den Design - Brand und nicht auf das "Made In" Label angewendet werden. Der tatsächliche Produktionsstandort im Niedriglohnland soll dabei möglichst keine Erwähnung im Verkauf finden.

Bedeutung der Textilindustrie

Nach Telekommunikation, Chemie und Automobilindustrie ist die Textil- und Bekleidungsindustrie die viertgrößte Konsumgüterbranche der Welt wenn man die Branchengröße an den Exporten misst. Damit ist die Textilindustrie weltweit einer der größten Industriezweige mit einem enormen Preisdruck seit 1980. So ist von 1980 bis 2010 die Gesamtmenge an Textilien auf das Sechsfache angestiegen während Wertmäßig der Anteil der Textilien am Gesamtwert aller exportierten Güter von 9% (1980) auf 6% (2010) abgenommen hat. Diese Zahlen belegen den Preisverfall eindrucksvoll. Auch nahm der Anteil der Lebenserhaltungskosten, der in Deutschland für Textilien ausgegeben wird, von über 10% (1990) auf inzwischen unter 5% ab. (vgl. Gries 2014, S. 22)

Es wundert also nicht, dass bei diesem Preisdruck Produktionsstandorte gewählt werden in denen der Monatsverdienst bei 30€ - 40€ liegt. Die Arbeitsbedingungen und fehlende Nachhaltigkeit in der Produktion rufen auch immer wieder Aktivisten wie bei der Greenpeace Kampagne Detox auf den Plan (vgl. https://www.lead-innovation.com/blog/nachhaltige-l%C3%B6sungen-in-der-textilindustrie).

Da die vor allem in der Fertigung von Bekleidung oft aufwändige und Arbeitskräfte - intensive Konfektion menschliches Zutun bedarf und nicht so gut vollautomatisiert werden kann setzt man vor allem bei der Konfektion auf die Strategie diese Arbeiten wie z.B. Nähen in Länder wie Äthiopien auszulagern. Dort wird dann im Akkord für 30€ - 40€ pro Monat genäht was das Zeug hält um die von z.B. China gewohnten Effizienzkennzahlen zu erreichen. Die in solchen Ländern ständig auftretenden Stromausfälle werden z.B. einfach mit Dieselaggregaten überbrückt. Ein Greenpeace - Aktivist würde beim Anblick der Rußwolke beim Start eines solchen Aggregates einen Vogel kriegen und ausflippen - aber in Ländern wie Äthiopien gibt es halt z.B. auch keine Feinstaub Euro 6 Norm für Diesel - Autos oder womöglich sogar Fahrverbote für Diesel PKW's trotz Euro 6 Norm. Bekannterweise lassen Schiffe ja auch lieber in Hafennähe ihre Schiffsdieselaggregate weiterlaufen als das Schiff mit Strom vom Land aus zu versorgen weil der Schiffsdiesel wohl günstiger ist als Strom vom Land. Wir tendieren in der EU zur Übertreibung des Umweltschutzes wohingegen unser Planet in Ländern wie China, Indien oder Afrika aufgrund weniger bis gar keiner Umweltschutzbestimmungen zunehmend vergiftet werden kann (im Prinzip geht es dort zu wie zur Zeit der Industrialisierung als bei uns im Westen der OTTO - Motor und die Industrialisierung durch Verbrennung fossiler Brennstoffe erfunden wurde) - aber das nur so nebenbei.

Die textile Fertigung besteht aber bei weitem nicht nur aus Bekleidung. Wir können die textile Fertigung grob einteilen in
  • Bekleidung
  • Haus- und Heimtextilien (z.B. Teppiche)
  • Technische Textilien
In den letzten 20 Jahren hat sich die textile Fertigung in Deutschland von einer Dominanz im Bekleidungssektor zu einer Dominanz bei technischen Textilien entwickelt. Der Produktionsrückgang im Bekleidungssektor resultiert dabei aus den zunehmenden Importen aus Niedriglohnländern. Die Fertigung von Haus- und Heimtextilien die vor allem Maschineneinsatz wie Webmaschinen erfordert und recht gut automatisiert werden kann zeigt eine gleichbleibende Tendenz in Deutschland. (vgl. Gries 2014, S. 23)

In Deutschland teilt sich die textile Fertigung entsprechend unserer Einteilung vom Marktanteil her betrachtet in 20% Bekleidung, 28% Heimtextilien und 52% Technische Textilien auf während auf dem Weltmarkt Bekleidung 50% Marktanteil hat, Heimtextilien 40% und technische Textilien nur 10% Marktanteil haben. Deutschland ist also vom Weltmarkt gesehen nur noch innerhalb der 10% der technischen Textilien mit 50% Marktanteil dominant. (vgl. Gries 2014, S. 24)

China hat im Vergleich dazu einen Marktanteil von 35% an allen textilen Produkten wobei der Schwerpunkt der Produktion auf Bekleidung liegt (größter Markt).

Durch das vor allem technische Know How und unsere westliche Technologie - Führerschaft ist Deutschland dafür das wichtigste Lieferland für Textilmaschinen mit einem Exportvolumen von über 3 Millarden Euro geworden. Aufgrund des Preisdrucks bei Textilien liefern wir also hauptsächlich die Maschinen in Länder wie China wo dann mit den Maschinen gefertigt wird.


Nachhaltigkeit erfordert Innovation

Um im Bekleidungssektor mit dem enormen Preisdruck und den in Äthiopien gefertigten Konkurrenzprodukten in einem europäischen Land konkurrenzfähig fertigen zu können bedarf es also einer enorm guten Idee, die das Gesamtprodukt im Marketing wesentlich differenziert von der Masse damit höhere Preise durchgesetzt werden können und trotz höherer Kosten für die Nachhaltigkeit in der Produktion konkurrenzfähig gewirtschaftet werden kann. Seien es 3D - Drucker für individuell vor Ort im Geschäft angepasste Schuhsohlen oder andere technische Innovationen wie z.B. ein Laufschuh der die Anzahl Schritte ans Smartphone zurückmeldet um den Trainingserfolg aufzuzeichnen, der Kunde muss den Mehrwert gegenüber Importen aus Billiglohnländern erkennen können. Einzig für ein anderes Label Made in Deutschland ist kaum ein Kunde bereit bei Bekleidung tief in die Tasche zu greifen. Dies funktioniert mit der bekannten Strategie z.B. einen italienischen Mode - Designer für eine Marke arbeiten zu lassen und im Billiglohnland zu produzieren wesentlich besser.

Statt als Aktivist wegen der Arbeitsbedingungen auf die Barrikaden zu gehen macht es also mehr Sinn politisch die Innovationskraft zu stärken und Europa zu einem Ideenland auszubauen, damit wir auch in der textilen Fertigung unsere westliche im Vergleich sehr teure Arbeitskraft rechtfertigen können und auf den Märkten erfolgreich agieren können.


Literaturhinweise

Gries 2014: Thomas Gries, Dieter Veit, Burkhard Wulfhorst. Textile Fertigungsverfahren - Eine Einführung. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Hanser Verlag München 2014.

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